Hauptseminar: Nationsbildung im Süden Europas: Gesellschaft und Staat in Italien und Spanien im 19. Jahrhundert

Mo 16.00-18.00 + Blocktermin, Raum: GABF 04/516, Beginn 17.10.2016, Dozent: Jun.-Prof. Dr. Fabian Lemmes

Die Nationalstaatsbildung ist ein zentrales Phänomen der europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts, doch nahm sie unterschiedliche Formen und Ausmaße an. Italien und Spanien gelten als Beispiele für eine schwache und späte Staats- und Nationsbildung (mit nachhaltigen, zum Teil bis in die Gegenwart spürbaren Folgen). Diese ist oft normativ als Defizitgeschichte interpretiert und mit einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rückständigkeit beider Länder in Verbindung gebracht worden, die neuere Forschungen indes relativiert haben. Derlei Interpretationen will das Seminar kritisch überprüfen. Ohne von einem nordwesteuropäischen „Normalfall“ auszugehen, werden wir den Prozessen des state building und nation building in Italien und Spanien vergleichend auf den Grund gehen. Unser Blick richtet sich dabei insbesondere auf Konflikte zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren, zwischen katholischer Kirche und Liberalen/Antiklerikalen, das Verhältnis von Zentralstaat und Peripherie bzw. peripheren Nationalismen (Katalonien und Baskenland), auf gesellschaftliche und antistaatliche Gewalt (Anarchismus) und die „Südfrage“. Damit will das Seminar auch einen Überblick über die politik-, wirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtliche Entwicklung in beiden Ländern ganz allgemein geben, die in Lehrveranstaltungen – zumal zum 19. Jahrhundert – vergleichsweise selten ausführlich betrachtet werden.
Unsere Perspektive ist komparativ, gefragt wird aber auch nach Transfers und Verflechtungen. Zeitlich liegt der Schwerpunkt des Seminars auf der zweiten Hälfte des langen 19. Jahrhunderts und speziell auf der Zeit der liberalen bzw. der Restaurationsmonarchie: im italienischen Fall von der Nationalstaatsgründung 1861 bis zum Beginn der Herrschaft Mussolinis 1922, im spanischen Fall von den „revolutionären sechs Jahren“ 1868-74 bis zum Beginn der Diktatur Primo de Riveras 1923.
Kenntnisse der italienischen und/oder spanischen Sprache sind hilfreich, aber keine Teilnahmevoraussetzung.
Sprachnachweise können erbracht werden in Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch.

Besonders zu beachten:

Das Hauptseminar findet bis zu den Weihnachtsferien im üblichen wöchentlichen Rhythmus statt (montags 16-18 Uhr). Die verbleibenden Sitzungen werden als Blockveranstaltung an einem Freitagnachmittag und Samstag im Dezember abgehalten. Vorgesehen ist für den Blocktermin der 16./17. Dezember (vorbehaltlich Absprache in der ersten Seminarsitzung). Im Januar-Februar 2017 finden folglich keine Sitzungen mehr statt.


Einführende Literatur

  • Altgeld, Wolfgang u.a.: Geschichte Italiens, 3., aktualisierte und erweitert Aufl., Stuttgart 2016.
  • Davis, John A. (Hg.): Italy in the Nineteenth Century 1796-1900, Oxford/New York 2000.
  • Sabbatucci, Giovanni/Vidotto, Vittorio (Hg.): Storia d'Italia, Bd. 1-3, Roma, Bari 1994-1995.
  • Woller, Hans: Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert, München.
  • Bernecker, Walther L./Pietschmann, Horst: Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, 4., überarb. und aktualisierte Aufl., Stuttgart 2005.
  • Mees, Ludger: Der spanische "Sonderweg". Staat und Nation(en) im Spanien des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Archiv für Sozialgeschichte 40 (2000), S. 29-66.
  • Schmidt, Peer/Herold-Schmidt, Hedwig (Hg.): Geschichte Spaniens, Stuttgart 2013.
  • Vincent, Mary: Spain 1833-2002. People and State, Oxford, New York 2007.